Ein Beitrag von Sepp Hiekisch-Picard / September 2016 Stellv. Direktor, Kunstmuseum Bochum English version: Hiroko Inoue – New photographic work (PDF) 日本語版: 井上廣子―新たな写真作品 (PDF)
Die in Osaka geborene Foto- und Videokünstlerin und Bildhauerin Hiroko Inoue lebt und arbeitet seit 1999 in Japan und in Deutschland, seit 2000 hat sie ein Atelier in Mülheim an der Ruhr. Sie pendelt zwischen Japan und dem Ruhrgebiet, arbeitet zeitweise auch in Berlin, Wien oder Düsseldorf. In ihren Fotografien, Installationen und Fotoskulpturen setzt sie sich intensiv auseinander mit sozialen Themen, Umwelt- und Technikfragen bestimmen ihre Arbeit in den letzten Jahren immer mehr. Ihre Fotoarbeiten zeigen die Prägung durch ihre Textil- Ausbildung am Cultural Anthropology Institute in Okinawa, die sie nach dem Studium der Literatur, Anthropologie und Bildhauerei absolvierte. Stofflichkeit und Textur sind für ihre Fotografien von ebensolcher Bedeutung wie Licht und Schatten, ihre künstlerischen Verfahren sind das Verdecken und Verwischen ebenso wie das Sichtbarmachen und Freilegen. Es geht der Künstlerin um das Hervorholen verborgener oder verdrängter Dimensionen unserer alltäglichen Welt. Das traumatisierende Erlebnis des Hanshin Erdbebens 1995 gab den Impuls, dass Hiroko Inoue sich verstärkt mit gesellschaftlichen wie auch individuellen Traumata auseinandersetzte; die Fukushima-Katastrophe ließ den Konflikt zwischen technisierter Zivilisation und Fortschrittsgläubigkeit mit der vom Menschen nicht völlig beherrschbaren Natur und Umwelt zu ihrem Hauptthema werden. Im „Mori“-Zyklus bearbeitet sie Aufnahmen von Wäldern in Japan und in Deutschland in der Dunkelkammer: Spuren von Pinseln und Bürsten legen sich wie eine zweite Schicht über das Bild, verleihen ihm etwas Uneindeutiges, Geheimnisvolles. Es sind Waldstücke, die ihre Geschichte nicht preisgeben, die den Zyklus von Werden und Vergehen auf eine sensible Weise ins Bewusstsein bringen. Das Ruhrgebiet – einst das industrielle Herz Deutschlands – dessen totale technisch-industrielle Überformung der Natur noch überall präsent ist, stellt dabei für Hiroko Inoue ein ebenso ideales Arbeitsfeld dar wie die Waldlandschaften ihrer japanischen Heimat. Die Künstlerin reflektiert selbst diesen Impuls ihrer Arbeit: „11.03.2011, Großes Erdbeben und Tsunami in Ostjapan. Die Bilder, die an jenem Tag im Fernsehen ausgestrahlt wurden und zeigten, wie das Leben unzähliger Menschen, ihr ganzer Besitz, vom Tsunami fortschwemmt wurde wie die Blätter eines Baumes – die kann ich niemals vergessen. Derzeit ändert sich das Klima auf der ganzen Welt. Ich glaube, dass wir, anstatt unser Leben auf rein materialistische Weise zufriedenstellen zu wollen, zu einer nachhaltigen Gesellschaftsform mit reduziertem Verbrauch auf allen Ebenen finden müssen.“
In dem parallel zu den „Mori“-Bildern entstandenen Fotografien des „Mizu“-Zyklus tastet sich Hiroko Inoue heran an die großartige Schönheit und Kraft der Natur, wie sie sich in den eindrucksvollen Flusslandschaften von Rhein und Ruhr aller industriellen Überformung zum Trotz noch aufspüren lassen. Vor allem aber sind es die alten heiligen Flüsse Japans, in denen sie im sensiblen Bearbeiten von Licht und Schatten den ewigen Kreislauf des Lebens, das Werden und Vergehen, den Tod und den Neubeginn im Bild festzuhalten versucht. Ihre Fotoarbeiten bekommen dabei eine neue Dimension: Als Installation von Leuchtkästen verleiht Hiroko Inoue Ihnen eine visuelle Präsenz, die von der Wand in den Raum ausgreift und den Betrachter auf eine fast physische Weise in ihren Bann zieht. In der Rauminstallation „The light of Koya“, 2015, nutzt sie den gesamten Raum, um die an den Wänden umlaufenden Fotos auf dem Boden mit einer das Laubwerk spiegelnden Wasserfläche fortzuführen. Der Betrachter wird Teil eines sensibel inszenierten Gesamtkunstwerks, dessen überwältigende Kraft und Schönheit kein anderes Ziel verfolgt, als Aufmerksamkeit zu weckenfür den fragilen Zustand unserer Welt, in der die Natur vom Menschen und seiner technischen Zivilisation zunehmend bedroht erscheint. Hiroko Inoues Fotoarbeiten rufen dazu auf, dass sich der Mensch wieder als Teil der Natur begreifen soll, dass die Natur, das Äußere, gleichzeitig die eigene Natur des Menschen, sein Inneres, ist. Hiroko Inoues Werk stellt hierfür seit Jahren Anstöße und sinnlich begreifbare Modelle bereit.
Einzelausstellung der Arbeiten von Hiroko Inoue in der Yoshiaki Inoue Gallery (Osaka, Japan) im Herbst 2016.
Galeriegespräch Hiroko Inoue, Yoshiaki Inoue Gallery (Osaka, Japan):
Galerieansicht Hiroko Inoue, Yoshiaki Inoue Gallery (Osaka, Japan):
Videoinstallation Hiroko Inoue, Yoshiaki Inoue Gallery (Osaka, Japan):