fiori di venezia

Die Bilder sind auf San Michele entstanden, der Friedhofsinsel Venedigs.

Die Blumen sind künstlich. Die Venezianer bevorzugen sie, da echte Blumen im Subklima der Lagune zu schnell welken. Früher wurden die „Venezianische Blumen“ aus Muranoglas und Seide gefertigt, heute sind sie wie überall aus Plastik.
Ich habe einige Zeit gebraucht, um das Seltsame an ihnen zu begreifen: Sie verwelken ebenfalls. Tote Gegenstände, lediglich Nachbildungen von Pflanzen, nur der Idee nach Blumen. Doch es ist, als akzeptiere die Lagune ihre Idee – indem sie sie wie lebende Blumen sterben läßt, indem sie sie auslöscht – als wirklich:
Im Jahre 1756 besuchte der chinesische Kaufmann Yang Liwei Venedig. Seine Geschäfte liefen nicht gut und so saß er tagelang untätig in seiner kleinen Kammer in der Calle dei Stagneri und schrieb seine berühmten Reisebriefe. Ungläubig beschreibt er darin, wie der Strauß Seidenblumen, den er sich erst wenige Tage zuvor gekauft hatte, sozusagen vor seinen Augen „in kleine Fetzchen“ zerfiel. Er schreibt: „Nachts steigt im Schatten ein schwarzer Dunst aus der Lagune und ließ meine Seidenblumen welken. (…) Als ich mich bei der Händlerin beschwerte und mein Geld zurückverlangte, versuchte sie mir weiszumachen (…) STOFFLICHE MELANCHOLIE! Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich immer noch keine Seide machen können oder ob man mich einfach betrogen hat.“

Autor: Karsten Hein

schreibt und fotografiert